Buchprojekt

Buchprojekt; Wenn du einen grünen Zweig im Herzen trägst,


 wird sich ein Singvogel darauf niederlassen

Glück ist kein Zufall und glücklich zu sein erst recht nicht. Auf einem Treffen der Dachzeltnormaden hatte ich die Gelegenheit die unterschiedlichsten Menschen zu fotografieren und mit ihnen über Glück, Freiheit und Träume zu sprechen. Das Ganze wird ein Buch, das ich im Selbstverlag herausbringen werde.

Hier sind einige Beispiele der Portraits und Anfänge von Texten, mehr dazu jeden Tag ein bisschen mehr. Das Buch ist im Prozess und Sie/Ihr könnt den Verlauf mitverfolgen... für Anregungen bin ich gern zu haben

Wenn Ihr Anregungen habt oder Ideen mailt sie mir...

Gerne kann ich noch 2 Geschichten mit ins Buch aufnehmen. Wenn ihr ein Dachzelt oder mit dem Auto unterwegs seid, meldet euch bei mir für einen Fototermin und ein kleines Interview...



„Wenn du einen grünen Zweig im Herzen trägst, wird sich ein Singvogel darauf niederlassen“


Was ist eigentlich Glück - Und wie komme ich dahin?

Vom Leben mit Dachzelt und Wohnmobil und dem Unterwegssein

 

Zu diesem Buch


 Wann ist Ihnen Ihr Glück in letzter Zeit begegnet?

Ist Glück im Außen oder im Innen?

Was hat Glück mit Freiheit zu tun?

Welcher glückliche Mensch fällt Ihnen ein?

Was zeichnet ihn aus?

Ich bin auf der Suche nach dem Glück. Oft treffe ich es und wir leben eine Zeitlang gut zusammen. Dann schleicht sich ihre Schwester, das Unglück, leise in mein Leben ein, und Schwupps, gehen zum Beispiel alle Haushaltsgeräte auf einmal kaputt. Von meiner Mutter habe ich gelernt, das Glück in der Alltäglichkeit zu finden. Von meiner Großmutter, die zwei Weltkriege erlebte, lernte ich, dass ich etwas tun muss für mein Glück. Vielleicht ist diese Mischung ganz gut für das Glück, wach und aufmerksam zu sein, bei gleichzeitiger Bereitschaft, etwas dafür zu tun, damit es sich eingeladen fühlt. Sie werden in den Geschichten mehr davon hören.

Erzwingen kann ich das Glück nicht. Das weiß ich mittlerweile. Auch wenn ich ein Meister des Glücks wäre, Glück ist nicht dauerhaft, trotz aller Strategien. Ich bin mir aber sicher, etwas tun zu können, damit das Glück, das Gefühl der Zufriedenheit, wieder zurückkommen kann. Deshalb frage ich mich in unglücklichen Gefühlszuständen: Was müsste ich tun, damit es noch schlimmer wird? Ganz schön paradox, was? Eigentlich heißt das: Was habe ich gemacht, dass es nicht noch schlimmer wurde? Im Stresszustand fällt mir die erste Version leichter. Und hier liegt auch der Schlüssel zum Ausgang (siehe Geschichte von XXXX): Ich könnte weiter schrauben und noch mehr fluchen und mich noch mehr anstrengen. Stattdessen habe ich aufgehört weiter an diesem doofen Teil verzweifelt herumzuschrauben. Und jetzt kann ich mich leichter dem nächsten Schlüsselsatz widmen, der heißt: Von dem, was gut wirkt, bitte mehr! Ich habe eine Pause gemacht. Der Abstand hat geholfen mich zu entspannen. Jetzt trinke ich erst mal ein Bier und dann kann ich mich mit neuer Konzentration wieder an das Problem wagen.

Dass die Paradoxie wesentlich zum Glück beitragen kann, davon werden Sie in diesem Buch mehr erfahren. Ich werde einige Experimente aus der Glücksforschung vorstellen und einige Erkenntnisse der neuen Hirnforschung, die beweisen, dass wir oft dem Glück selbst im Wege stehen.

In meiner Studentenzeit kaufte ich mir für wenig Geld einen VW-Kastenwagen, baute ihn mit wenig Geldmitteln aus und bereiste mit meiner Freundin Teile des damaligen Europas, das ehemalige Jugoslawien und Griechenland. Ich fühlte mich leicht, fühlte das Glück in meinem Bauch und in der Herzgegend, wenn ich am Strand auf dem Sand schlief, über die fremden Märkte ging und nichts verstand und bei Sonnenuntergang mit einer Schnur, an deren Ende ein Stück Fleisch gebunden war, Krebse fing.

Vor zwei Jahren haben meine Frau und ich einen T4 im Selbstausbau mit einem Dachzelt gekauft. Damit sind wir an den meisten Wochenenden und zwischen den Arbeitszeiten, die wir selbst gestalten können, unterwegs. Wenn wir auf einem Waldparkplatz stehen und unser Dachzelt auf dem VW-Bus entfalten, kommen oft Spaziergänger auf uns zu und fragen, was das Ding auf dem Autodach sei und warum wir das überhaupt Campen. Ich erzähle ihnen von unserem Gefühl von Freiheit und Glück und dass wir damit Ungebundenheit erleben. Und weil sie mich mit ihrer Neugierde auf eine nette Art herausfordern, genauer darüber nachzudenken, was ich eigentlich damit meine, wenn ich von Glück, von Freiheit und von Ungebundenheit spreche, wollte ich es genauer wissen und suchte nach wissenschaftlicher Literatur, lernte die Glücksforschung kennen und tauchte ein in Geschichten und Parabeln, die von Glück handeln.  

Und weil Selbsterkenntnis eigentlich im Dialog und Kontakt mit anderen Menschen am authentischsten geschieht, stellte ich anderen Menschen, die ähnlich unterwegs sind wie wir, die gleichen Fragen nach Glück und Freiheit. Auf einem „Dachzelt-Treffen“ der „Dachzeltnormaden“, auf Campingplätzen und auf „wilden“ Plätzen von Autocampern sprach ich die unterschiedlichsten Menschen an, in der Hoffnung mehr davon zu verstehen, was eigentlich hinter so abgenutzten Begriffen liegt wie Freiheit und Glück in der derzeitigen Welt nach Corona.

 

Hinter jedem Bild steht eine Geschichte

 Oft war ich ergriffen von den Menschen, die ich fotografierte und deren Geschichte, die sie mir erzählten. Wären diese Menschen auf dem Bürgersteig an mir vorbeigegangen, wäre ich im Traum nicht darauf gekommen mir vorzustellen, was für ein Schicksal, was für eine Lebensfreude oder einfach nur welch riesige Neugierde aufs Leben hinter oder in ihnen verborgen sind.

Glück ist kein Zufall und glücklich zu sein erst recht nicht. Muss ich dem Glück auf die Sprünge helfen, muss ich es suchen, damit ich es finde oder wird es dann nur stressig? Viele der Befragten sprachen von „ihrem“ Glück und dass sie ihren Traum nicht mehr träumen wollten, sondern leben. Schön und gut, doch zu welchem Preis? Was bedeutet es, wenn mein Glück das Unterwegssein ist und der Partner lieber auf der Couch sitzt? Vermiest das nicht mein Glück? Was könnte da eine gute Lösung sein?

Hinter jedem Portrait habe ich einen kleinen Ausschnitt der Geschichte dieser Menschen festgehalten; anschließend mache ich mir laute Gedanken zum Thema Glück und Freiheit in Beziehung der Geschichte, die diese Menschen über sich erzählten. Und weil ich auch Therapeut bin, bringe ich dabei wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Glücksforschung und der Salutogenese mit ein. Ich möchte mit diesen Gedanken meine Gesprächspartner*innen nicht auf etwas festlegen, was sie selbst gar nicht so sehen. Es ist meine Sicht und ich nehme alles auf mich. All diese Menschen habe ich das erste Mal gesehen und wenn ich jetzt über sie schreibe, bitte ich um Nachsicht. Ich gebe sie so wieder, wie ich sie erlebt habe, so gut ich kann. Ich hoffe, sie erkennen sich selbst wieder. Ich habe stets den grünen Zweig im Herzen dieser Menschen gesehen.


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"Ich denke um die Ecke“

Erik, 31

Bäcker und Kaufmann

 

„Ich war achtzehn und mit meinen Freunden unterwegs. Es war warm und wir hatten ein Wasser gefunden, um uns abzukühlen. An einer erhöhten Stelle bauten wir eine Rampe, so richtig zum Abspringen. Dann war die Frage, wer springt als Erster…. Tja, der Erik ist als Erster gesprungen. Ich bin dabei abgerutscht, es war schlammig und mit dem Kopf auf dem Grund des Wassers aufgekommen.“

Seit dieser Zeit sitzt Erik im Rollstuhl. Er zeigt mir seinen jetzigen ausgebauten Bus. Um hineinzukommen hat er eine Rampe. Mit einem Elektrohandgerät lässt sich das alles bedienen. Kurz nach dem Unfall hat sich Erik einen Bus gekauft und ein Bett darin verbaut, mit Hilfe von Freunden. Die waren in dieser Zeit sehr wichtig und sind es heute immer noch.

„Die behandeln mich normal und machen mit mir auch mal Blödsinn, halt ganz normal, wie man das so macht. Fahren wild mit mir im Rollstuhl herum. Und manchmal, wenn sie merken, ich plag mich ab im Gelände mit dem Rollstuhl, packen sie ungefragt an und schieben. Dann muss ich nicht selbst bitten… .Letztes Jahr habe ich mit meinem Freund beschlossen: Wir wollen raus.“

Michael: Was sind deine Träume?

„Ich würde gern nach Afrika reisen. Dort scheint es mir noch die Ursprünglichkeit, die Einfachheit zu geben. Ich möchte das Gefühl erleben, auf Abenteuer zu sein und andere Kulturen kennenlernen; Menschen, die nicht so auf Perfektion stehen wie hier und nicht so viel haben. Ich will die Einfachheit mit ihnen erleben. Natürlich weiß ich, dass meine Tatkraft auch eine Ablenkung von meinem Schicksal ist. Ich will aber auch wissen, was ich alles noch machen kann mit diesem Rollstuhl am Bein; ich will dazugehören. Mit dem Auto bin ich selbstständig, ich bin mobil. Es klingt merkwürdig, doch ich hab ein ganzes Jahr gebraucht, mir die Socken selbst anzuziehen. Da brauch ich eben Hilfsmittel. Manches mache ich halt um die Ecke.“

Michael: Was machst du beruflich?

Erik: Ich kenne mich gut aus mit all den Anträgen und Bestimmungen für Behinderte… ich hab mich da ganz gut eingearbeitet. Da hab ich auch schon Angebote bekommen, andere Menschen zu beraten. Auch bei technischen Lösungen beim Rollstuhl oder anderen technischen Hilfsmittel kenne ich mich ganz gut aus. Auch da habe ich schon Anfragen. Doch ich will zuerst was von der Welt sehen. Ich bin noch jung und will etwas, gerade wegen meiner Einschränkungen, erleben. Dann steig ich auch gern wieder ins Arbeitsleben ein. Doch zuerst geht´s raus.“


 

Meine Gedanken

Wenn ich über das Glück schreibe, muss ich auch über das Unglück schreiben. Denn es gehört zum Ganzen dazu. Eine immer wieder von mir erzählte Geschichte fällt mir als erstes ein:

Ein alter Mann lebte in einem Dorf und Viele, selbst der König, beneideten ihn um sein wunderschönes Pferd. Alle hohen Geldsummen, die ihn zum Verkauf geboten wurden lehnte er ab. Der Mann war arm, aber sein Pferd verkaufte er nie. Er sagte: “Wie könnte ich einen guten Freund verkaufen…?“

Doch eines Morgens war das Pferd nicht in seinem Stall und die Leute des Dorfes sagten: “Du dummer alter Mann. Wir wussten alle, dass dein Pferd eines Tages gestohlen werden würde. Es wäre besser gewesen es zu verkaufen. Welch ein Unglück.“

Der Alte erwiderte: „Geht nicht so weit, das zu sagen. Sagt einfach: Das Pferd ist nicht in seinem Stall. Das ist Tatsache. Alles andere ist Urteil. Ob es ein Unglück oder ein Segen ist, weiß ich nicht. Wer weiß was folgen wird.“

Alle lachten ihn aus. Am nächsten Morgen kehrte das Pferd in seinen Stall zurück; es hatte einen Ausflug in die Wildnis gemacht und dabei noch zehn andere Pferde mitgebracht. Jetzt gaben ihm die Leute des Dorfes recht: „Das war kein Unglück, alter Mann. Es ist tatsächlich ein Segen gewesen.“

Der Alte: „Wieder geht ihr zu weit. Sagt einfach: Das Pferd ist zurück mit anderen Pferden. Ob das ein Segen ist, weiß ich nicht. Wie könnt ihr nach dem Lesen einer Seite über das ganze Buch urteilen?

Jetzt machte sich der Sohn des Alten daran, die Pferde zuzureiten. Dabei stürzte er und brach sich Arme und Beine. Die Menschen des Dorfes meinten jetzt einstimmig: „Wie recht du hattest; es war ein Unglück. Jetzt hast du niemanden mehr, der dir eine Stütze in deinem Alter sein kann.“

Der Alte entgegnete: „Ach wie seid ihr besessen von Urteilen und Wissen. Es reicht zu sagen, mein Sohn hat Arme und Beine gebrochen. Das Leben kommt in Fragmenten und mehr bekommt ihr nicht zu sehen. Niemand weiß, ob es ein Glück oder Unglück ist.“

Und tatsächlich, zeigte sich bald ein neuer Umstand, der alles Leben im Dorf veränderte. Das Land hatte den Krieg ausgerufen und die jungen Männer aller Dörfer zum Kriegsdienst verpflichtet. Jetzt versammelten sich alle im Dorf und sagten: „Wir wissen, dass unsere Söhne von der Front nicht heil zurückkommen; sie werden zu tote kommen. Welch ein Glück hast du Alter. Dein Sohn bleibt dir erhalten und er wird nicht zum Krieg eingezogen.

Der Alte entgegnete: „Es reicht zu sagen: Mein Sohn wird nicht eingezogen und eure Söhne werden eingezogen. Wer weiß was Glück und Unglück ist oder anders gesagt: Wann weiß jemand tatsächlich, ob Unglück Unglück ist…?“

In der Glücksforschung heißt es, dass akzeptieren und zustimmen einer unangenehmen Situation paradoxerweise zuerst einmal entspannend wirkt und eine neue Perspektive zulässt. Zustimmen heißt dabei nicht, dass ich den schlechten Zustand nun gut finden muss, sondern dass ich ihn nehme wie er ist, mit Groll, Widerstand oder Abneigung, doch ich nehme ihn an. Das Zustimmen ist dabei wie so etwas wie ein Stopp an der roten Ampel. Hier gibt es eine Pause und bevor ich wieder losfahre, sammele ich mich. Diese Sammlung lässt mich neben mich treten und wie ein Beobachter kann ich mich selbst anschauen. Ich trete neben mich. Das Anhalten ermöglicht mir eine Orientierung, wie, wo und wohin ich unterwegs bin. Wenn ich unbewusst weiterfahre oder gegen den Stopp ankämpfe, kann ich mich verrennen oder riskiere einen Unfall.

Das ist alles so leicht zu beschreiben und Therapeuten wird ja nachgesagt, es selbst nicht hinzukriegen, das mit dem Leben. Ich selbst übe mich darin. Als ich Erik auf dem Dachzeltnormaden-Treff kennenlernte, war ich tief beindruckt von seiner Lebenskraft, auch wenn er in der Vergangenheit über den Tod nachgedacht hat, wenn es zu schwer für ihn wurde.

Erik scheint eine Kiste voller Ressourcen zu besitzen, deren er sich auch bedient. Die positive Psychotherapie rät, sich weniger um die Korrektur von Schwächen zu kümmern als vielmehr um die Förderung von Stärken. Doch woran ist erkennbar was die eigenen Stärken sind?

Wenn ich aus einer Stärke heraus handele, dann habe ich Gefühle wie Begeisterung, Freude und Motivation. Die Freude motiviert mich zu eigenen Projekten und Aktivitäten. Das Lernen fällt leichter und scheint fast mühelos von statten zu gehen. Ich muss mich nicht quälen. Stärken zeichnen sich mit dem Gefühl von Authentizität aus, dem Gefühl: Das ist richtig - Ich bin am richtigen Platz. Ich darf diesem, meinem Gefühl vertrauen. Wenn sich an dieser Stelle Gegenstimmen melden wie zum Beispiel Was glaubst du wer du bist oder Das hast du nicht verdient und Du machst es dir zu leicht, dann sind das immer Stimmen aus der Biographie, alte Stimmen und nicht die eigenen, sondern der der Eltern oder der Lehrer*innen oder aus einem diffusen Hintergrundrauschen. Diese Stimmen sollten am Besten auf einen Zettel geschrieben werden um ihn dann zu verbrennen; die Asche vielleicht neben einer Pflanze vergraben. So geben sie wenigstens noch Dünger ab.

Wir alle verfügen über Ressourcen. Andere erkennen sie vielleicht eher in uns als wir selbst. Ressource kann fast alles werden, was wir mit uns tragen. Das kann Wissen und Bildung sein, Fähigkeiten wie Geduld und Kreativität, Ausdauer oder die Gabe mit anderen Menschen gut umgehen zu können und und und. Die Frage ist, wissen wir sie zu nutzen?

Ohne den Willen und die Geduld hätten wir nicht laufen gelernt (Ach, jetzt bin ich schon zwanzig mal hingefallen – jetzt lass ich das mal). Ein Kleinkind lacht etwa vierhundertmal am Tag, während dies ein Erwachsener nur noch circa fünfzehnmal tut. Wer hat einem oder einer beigebracht das Lachen zu reduzieren oder gar vergehen zu lassen.

Ressourcenaktivierung richtet den Scheinwerfer auf das Gelingen von Vorhaben und Tun. Auch gehört die Bereitschaft dazu, dass etwas anderes oder nahezu Ähnliches herauskommen darf als geplant. Ressourcenaktivierung braucht die Offenheit, sich auf das einzulassen was sich zeigt und die Offenheit, dass es heute nicht der Tag dafür ist, aber vielleicht morgen oder mit anderen Mitteln.

Die Glücksforschung der positiven Psychotherapie hat längst den Beweis dafür erbracht, dass die Beschäftigung mit Stärken wesentlich lohnender ist, als das Ausmerzen von Schwächen (Seligmann 2005, Der Glücksfaktor). Das Gefühl etwas tun zu können, nennt die Psychologie Selbstwirksamkeit. Dieses Gefühl der Selbstwirksamkeit – auch wenn nur ähnliches oder etwas anderes herauskommt - trägt absolut dazu bei, dass Menschen zufriedener und erfolgreicher durchs Leben gehen. 




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 „Ich steige um“

Sophie, 27

Studentin für Multimediale Dokumentation

 

Sophie ist allein unterwegs. In ihrem Corsa schläft sie: „Da bin ich sicher. Zentralverriegelung!“ Drinnen gibt es alles, was sie braucht. Ein Vorzelt mit Tisch und Stühlen lassen das Ambiente gemütlich erscheinen. Auf dem Tisch liegt eine Wasserpistole. Kinder rennen auf dem Camp umher und spritzen sich mit Wasser nass. Als Sophie etwas abbekommt, greift sie freudig zu ihrer Wasserpistole und mit Jauchzen und Geschrei spritzen sich beide Parteien nass. Die Kinder mögen sie anscheinend und sie die Kinder.

„Ich studiere noch und was Größeres kann ich mir derzeit nicht leisten. Mit meinem Corsa bin ich schnell beweglich und das ist meine Art Freiheit zu spüren. Ich kann da anhalten, wo es mir gefällt und bin auf keine Busroute angewiesen. Ich bin autark und kann mich in der Natur aufhalten. Ich bin ihr dann nah, ohne sie zu belasten. Auch mit meinem Kompostklo.“

M: Wie kommst du aufs Campen?

S „Ich bin schon als Kind damit aufgewachsen. Mit meinen Eltern und meinem Onkel haben wir damals auch schon „wild“ gecampt.  Mit Erhalt des Führerscheins habe ich mir in Neuseeland einen Bus gekauft. Das war schon immer mein Traum. Es war genau meins, im Auto zu leben. Jetzt nach einem Jahr im Corso will ich wieder umsteigen. Ich will mir wieder einen Bus zulegen, mit einem Wurfzelt. Zusammen mit meinem Freund geht es dann ab nach Schweden. Ich habe mir schon ein Buch gekauft, wie es geht, einen Bus auszubauen. Ich will herausfinden, wie ich einen Bus selbst ausbauen kann, ein Fenster rausschneiden und was sonst so anfällt. Das macht mir Spaß, mich auszuprobieren. Meine Eltern unterstützen mich dabei; eine helfende Hand kann nicht schaden…“

Sophie strahlt, beim Erzählen ihrer Pläne. Sie hat die Pistole wieder auf den Tisch gelegt und schaut in die Ferne. Vielleicht ist sie schon in Schweden oder beim Ausbau des Buses.


 

Meine Gedanken

Ich sehe Sophie so: Sophie ist neugierig, sehr neugierig auf all das, was das Leben ihr anbietet. Sie will Neues ausprobieren, Länder kennenlernen, handwerklich Neues lernen. Das eröffnet ihr Türen und schafft neue Zugänge und damit wieder neue, weitere Möglichkeiten, sich glücklich zu machen.

Die Glücksforschung räumt mit alten Mythen auf, zum Beispiel mit der Rolle von Lebensbedingungen. Weder Reichtum noch Gesundheit korrelieren mit einem hohen Glücksgefühl. In den letzten fünfzig Jahren ist das Realeinkommen deutlich gestiegen, das Glücksgefühl nicht. Auch die extrem Reichen sind kaum glücklicher als der Durchschnitt, reiner Materialismus wirkt eher glückszerstörend. Die Leere wird dann vielleicht mit Kleidung, Schmuck, einer Sammlung von Schuhen, computergesteuerten Rasenmähern oder noch größeren Dingen gefüllt. Hält leider nicht lange.

Sophie hat alles was sie braucht in ihrem Corsa und mit ihr ist ihre Fröhlichkeit; sie macht sich Glücklich.

An Sophie bewahrheitet sich, Glück lässt sich beeinflussen. Wir sind (auch) unseres Glückes Schmied. Und wenn einmal der Anfang gemacht ist, richtet sich der Blick zunehmend auf das Gelingen, auf die (kleinen) Chancen des Alltags, auf das, was vielleicht das Zeug zum Glücklichsein hat. Das zeigt eine Studie des britischen Forschers Richard Wiseman ( ). Sein Team hatte auf dem Weg zum Labor Geld auf den Bürgersteig gelegt. Gleichzeitig hatte es in einem Café in der Nähe des Labors einen Mitarbeiter platziert, der angeblich auf der Suche nach Angestellten für sein Unternehmen war. Seine Aufgabe war es, das Gespräch mit den Versuchspersonen, die um die Ecke kamen, zu suchen und ihnen einen attraktiven Job anzubieten. Es zeigten sich im späteren Interview verblüffende Unterschied zwischen den Menschen, die ohne Perspektive ins Leben schauten und denen, die Pläne hatten und neugierig auf das Leben waren. Menschen der zweiten Gruppe fanden stets das Geld auf dem Weg und ließen sich auch spontan auf das Gespräch im Café ein, mit der fiktiven Möglichkeit eines Jobangebots. Die andere Gruppe übersah das Geld und reagierte eher ablehnend auf das Gesprächsangebot. Die Mitglieder dieser Gruppe verbauten sich selbst sozusagen eine „bessere“ Zukunft, weil sie sich von ihren inneren Leitsätzen, ich habe eh kein Glück, leiten ließen. So setzten sie eine Spirale negativer Selbstwirksamkeit in Gang: ich erlebe was ich erwarte; in diesem Fall eben nicht erfolgreich zu sein und Glück zu haben und bin eher misstrauisch und auf mich bezogen. Sie kennen das sicher im Begriff der selbsterfüllenden Prophezeiung. Samy Molcho, bei dem ich das Glück hatte, ein Seminar belegen zu dürfen, meinte dass es wichtig sei, seine „Sehgewohnheiten“ auf das Leben kreativ zu brechen. Mal von der anderen Seite als gewohnt auf Fahrrad zu steigen oder durch eine Tür auf die verschiedenste Weise zu gehen: rückwärts, rechts seitlich, links seitlich, auf einem Bein, per Handstand, sei dafür bestens geeignet. Der Bruch mit den Gewohnheiten, so Molcho, führe aus dem Gewohnten heraus und eröffne symbolisch viele neuen Sichtweisen, die in uns schlummern und damit ins Licht des Bewussten rückten. Was tun, wenn auf der gewohnten Speisekarte dein Lieblingsgericht gestrichen wurde? Was Neues probieren, vielleicht mit der Chance ein neues Lieblingsgericht entdeckt zu haben! 

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"Wir wollen entschleunigen"


Chris, 40 und Nori,33

Logistikleader/ Servicekraft

 

Ich sah die beiden an einem riesigen Topf herumputzen. Als ich näher trat boten sie mir einen „Selbstgebrannten“ an. Lecker. So kamen wir ins Gespräch.


C: Wir planen eine Weltreise. Das soll so gegen 2026/27 laufen. Bis dahin haben wir noch Zeit zum Üben. Wir wollen entschleunigen. Als wir in Thailand waren, habe ich erlebt, wie Menschen, die eigentlich weniger haben, großzügiger und herzlicher sind als ich das hier kenne. Es war eine außergewöhnliche Erfahrung, es waren außergewöhnliche Menschen. Ich bin in Deutschland geboren, meine Eltern sind Ungarn. Jetzt wohnen wir in München. Da kannst du dir kein Haus kaufen. Unmöglich. Dafür haben wir unseren Oldie mit einem H-Kennzeichen. Da kann ich noch alles selbst schrauben. Wenig Elektronik. In der Wüste braucht es keine Elektronik, aber dafür Mechanik, die ausgewechselt werden kann.“


N: Ich bin in Ungarn aufgewachsen und lebe jetzt seit zwölf Jahren hier. Als meine Mutter starb war ich allein, mein Vater war LKW-Fahrer und lange unterwegs. Da war ich auf mich selbst gestellt. Mit Zwanzig wollte ich mehr mit meinem Leben anfangen und bin nach Deutschland gekommen. Einen Monat später habe ich hier Chris kennen gelernt. Das Glück lief an mir vorbei, wir waren Nachbarn und haben beide zugegriffen.


C: Ich war schon immer unterwegs. Als dann Corona in unser Leben kam, fühlte ich mich wie eingesperrt. Da wurde die Idee geboren, wie machen eine Weltreise, vielleicht ist sie aber auch schon länger in mir. Ich weiß nicht. Ich mache es schon immer anders als andere. Ich will kein All inclusiv`.


N: Oh nein., kein ´All inclusive´. Da würde ich sterben. Dafür ist das Leben viel zu bunt und ich will mitbestimmen.

 

Beide haben heute noch was vor. Sie wollen für 40 Leute einen ungarischen Gulaschtopf kochen. Chris hat das noch nie gemacht, der Topf scheint neu gekauft zu sein. Ich staune, zum ersten Mal auf offenem Feuer und dann gleich für so viele Leute… .

C:  Uns ist, ich glaub ich kann da von uns sprechen, also uns ist Erfahrung wichtig. Ich lebe jetzt. Erfahrung ist uns wichtiger als ein eingefahrenes Leben. Unser Hobby ist das Reisen, andere Kulturen kennen lernen, dass das für uns Normale auch anders gemacht werden kann. Jetzt bei der Planung zur Weltreise muss ich mich fragen, was ist wichtig und notwendig zum Mitnehmen und was kann ich aufgeben. Das kann ruhig als Metapher für das Leben gesehen werden: Was ist wichtig und was kann ich aufgeben? Ich brauch zum Beispiel unterwegs keine Uhr. In meinem Job schon.


M: Wie finanziert ihr euch auf der Weltreise?


C: Ich krieg eine Abfindung in meinem Job und den Rest verdienen wir uns unterwegs. Wir finden immer was. Zu erleben, wir können überall leben und uns finanzieren macht stark und gibt Sicherheit fürs Leben, nach Corona.


 

Meine Gedanken

 

Mir scheint, ich habe hier zwei Abenteurer getroffen. Das Leben als ein Abenteuer zu betrachten… hm, das verlangt vielleicht auch die Erfahrung, ich muss mein Leben selbst in die Hand nehmen. Bei Nori kann ich das verstehen, wenn dem so wäre. Sie stand im Leben allein da, als die Mutter starb und der Vater beruflich für lange Zeit immer wieder unterwegs war. So ein Erleben ist sicher schmerzhaft, das Leben ist nicht schmerfrei, die wichtigste Frage hierbei ist doch: Was mache ich aus meinen Schmerzen? Nori hat nach Perspektiven gesucht und ist nicht versauert. Das war ihr Glück; so hat sie ihren Liebesten gefunden und plant mit ihm jetzt eine Weltreise. Als Paartherapeut weiß ich, dass die Liebe und das damit verbundene Glück nicht nur den anderen braucht, sondern etwas Drittes, ein gemeinsames Bindemittel, das die Liebe lebendig hält. Das mögen zu Beginn Kinder sein, doch das hält nicht dauerhaft, die werden nämlich erwachsen und dann steht das Paar vor einem Leerraum. Spätestens an diesem Punkt sollte das Paar, wenn sie noch eins sind, etwas neues Drittes finden. Eine Weltreise wäre nicht schlecht, doch genügt auch ein gemeinsamer Garten oder gemeinsame Freizeitinteressen, die beide erfüllen und lebendig halten (Knorr 2021).

Mein Berufskollege Christopher Weidner schlägt vor daran zu glauben, dass es ein Lebenszimmer der Möglichkeiten gibt, in dem alles enthalten ist, was zum Glück führen kann. „Stell dir vor es geschähe ein Wunder und es wäre das möglich, so wie du dir es gewünscht hast“, diese Frage stelle ich oft den Klient*innen. Die erste Antwort, die ich erhalte, ist Anlass weiter zu forschen, wohin diese Antwort führt, denn ich werde garantiert kein Pferd werden oder der reichste Mann der Welt, so sehr ich mir das auch wünsche. Doch hinter solch einem utopischen Wunsch liegt ein Schlüssel verborgen, mein eigentliches Bedürfnis. Hinter jedem Wunsch und auch jedem Vorwurf liegt ein Bedürfnis verborgen. Dieses gilt es zu entschlüsseln und auf den realistischeren Weg zu bringen. Das wäre der nächste Schritt. Ist mein Bedürfnis zum Beispiel mehr Geld zu haben, gilt auch hier wieder, weiter zu forschen: Was würde ich dann tun, und dann tun und dann tun? Vielleicht würde ich mir dann ein Haus kaufen können, und dahinter liegt vielleicht mein Bedürfnis in eine andere Wohnsituation umzuziehen. Hinter unerfüllbaren Wünschen steckt immer ein Bedürfnis das erfüllbar ist!

Wenn mir bewusst wird was mir fehlt und welch tiefes Bedürfnis darin enthalten ist, dann kann ich versuchen in die Nähe von diesem Wunsch zu kommen oder ich kehre wieder in meine alte Tagesordnung zurück. „Wann war ich diesem Wunder, diesem Gefühl, das mit meinem Wunsch verbunden ist, schon einmal nahe? In welchem Augenblick meines Lebens habe ich mich schon einmal so oder mindestens so ähnlich gefühlt“?, wäre einer der nächsten Fragen, die ich mir in diesem Lebenszimmer der Möglichkeiten stellen würde.

Es gibt eine Quelle, aber viele Wege, die das Wasser den Berg hinunterfließen kann. Das eine Glück für jeden wird es nicht geben. Für jeden von uns sieht Glück anders aus. Deshalb mag es auch keinen Schlüssel zu Glück geben, denn was des einen Glück bedeutet, wäre für mich das Schlimmste, was mir widerfahren könnte. Sein Schlüssel würde bei mir nicht passen. Deshalb hat jede Person ein eigenes Lebenszimmer der Möglichkeiten und es ist ein Glück, wenn sich zwei Menschen treffen deren Visionen annähernd ähnlich sind, so wie bei Chris und Nori.

Chris scheint die treibende Kraft zu sein bei dem Plan, eine Weltreise mit dem selbstausgebauten Auto zu wagen. Chris ist mit seinem Wunderzimmer, dem Lebenszimmer der Möglichkeiten, sehr verbunden und wirkt ansteckend. Und Nori entdeckt in ihrem Zimmer, angeregt von Chris, eigene Wünsche und Bedürfnisse. Sie haben ihr Drittes gefunden. Sie können sich in ihren Zimmern das vorstellen, was noch gar nicht stattgefunden hat, und können möglicherweise sogar fühlen, wie es ihnen gehen wird, wenn sie dann in der Zukunft angekommen sind. Während ihr Zuhause das enthält, was im Hier und Jetzt gilt – Arbeit, Haushalt und Alltag – können sie in ihren Wunderzimmern, ihrer Vision, die Möglichkeiten erkennen, die in ihren Leben stecken, anstatt nur den Alltag und das Schwierige zu sehen. Es gilt: sowohl-als auch und nicht entweder-oder. Entweder Wirklichkeit oder Traum - Du kannst nicht beides haben! Besser: Ich widme mich meiner Wirklichkeit als auch meinen Träumen, denen ich durch Arbeit, Konsequenz und Beharrlichkeit näherkomme.

Die Glücksforschung sagt, dass eine Zukunftsorientierung absolut bedeutsam für seelische Gesundheit ist. Dabei erweisen sich Etappenziele durchaus als hilfreich, und sich dafür zu belohnen macht den Weg liebvoller, denn es gibt ihn ja schon, ich bin ja bereits auf dem Weg zum Glück.  So wie Nori und Chris, die bereits in ihren Gedanken auf der Weltreise sind, wenn sie sich vorbereiten und „üben“, wie sie sagen. 


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„Die Kelly Family mit dem Daktari Auto“


Claudia 53 Wirtschaftsprüferin, Axel 51 selbstständig, Ulli 12, Ferdinand 14 und Paula 16 - Gymnasium

 

Ulli: „Unser Daktari-Auto ist so alt wie ich. Zu meiner Geburt haben das meine Eltern gekauft und sind dann mit mir und den anderen losgefahren.“

Axel: „Tja, endlich waren wir so viel, dass ein so großes Auto gerechtfertigt war.“

Claudia: „Daktari war unsere Lieblings-Fernsehserie in der Jugendzeit. Und das Auto darin war unser Traum. Unabhängig voneinander, denn da kannte ich ja meinen Mann noch nicht. Und so haben wir unseren Traum später erfüllt. Und wir bereuen es nicht. Wir wollten keinen Wohnwagen, denn wir wollten mobil, beweglich, halt gelenkig bleiben. So haben wir und natürlich auch unsere Kinder Seiten des Lebens und Länder von einer anderen Seite als die des Tourismusprospekts kennengelernt. Wir waren auch in Ländern wie Albanien, wo ein anderes Leben gelebt wird als wir es gewohnt sind. Wir glauben das hat unsere Kinder auch viel, über das Leben lernen lassen. Fremdes ist ihnen nicht mehr so  schnell fremd.“

Ja, das merke ich. Die Kinder sind gar nicht schüchtern. Sie erscheinen mir eher selbstsicher und selbstbewusst. Als Ferdinand erzählt, dass die Familie unterwegs Musik macht, werde ich neugierig und bitte alle ihre Instrumente zu holen. Ich staune, was diese Familie drauf hat. Ich glaube festzustellen, so wie jeder sein eigenes Instrument spielt, so individuell scheint auch jeder in der Familie sein zu dürfen. Und im gemeinsamen Spiel ergibt sich wieder ein Ganzes.

Paula wird vielleicht das letzte Mal mit dabei sein; sie nabelt sich so langsam ab. Zur Bundeswehr will sie gehen und Pilotin werden. Na, das sind Pläne.

Meine Vorurteile platzen etwas auseinander: Claudia als Wirtschaftsprüferin, da hätte ich mir ein konventionelles Leben vorgestellt. Und als sie abschließend hinzufügt: „Wir bleiben nicht an Orten, wir sind unterwegs“, da rumpelt es in meinem Vorurteilsschränkchen. Das tut mir gut. Die „Kellys“ tun mir gut. 



Meine Gedanken


Zu dieser Familie fällt mir ein: Die machen, was sie wollen. Das scheint eine gute Zutat für ein Glücksrezept zu sein. Doch viele guten Ideen, so wie die in diesem Buch, sind nichts wert, wenn sie nicht zu Ihnen passen, zu Ihrer inneren Überzeugung und Ihren Werten passen.

Aus der neuen Hirnforschung gibt es Erkenntnisse, die besagen, dass eben diese inneren Werte zu unserem gelebten Leben, zu unserem Handeln passen sollten. Das befriedigt zutiefst und berührt. Gegen die eigene Überzeugung zu handeln, macht unzufrieden und krank. Ich kenne das aus eigener Erfahrung. Als die Leitung an der Institution wechselte, an deren Konzeption ich maßgebend mitwirkte, fühlte ich mich gefangen. Einerseits war ich bereit die Leitung zu unterstützen, anderseits waren die Vorgaben einschränkend und für die weitere Entwicklung des modernen Konzepts blockierend.

Ich erlebte meine Kreativität gestoppt, die Fremdbestimmtheit erhöht und verlor meine Motivation. Ich ging nicht mehr gerne zur Arbeit. Mein Körper reagierte und mich traf der Schlag: ein Blutgefäß im Kopf platze, der Druck war zu hoch. Gott sei Dank habe ich keine körperliche Beeinträchtigung davongetragen, außer der Einsicht, nicht zu lange gegen Wände zu kämpfen und Druck nicht zu ignorieren.

Gegen die innere Überzeugung zu handeln, erhöht das Burn-out Risiko, den Bluthochdruck und der Herzinfarkt steht vor der Tür (Firus, 2015). Gegen sein Inneres zu leben kann auch sogenannte Depressionen hervorrufen. Für seelische Gesundheit sind also ein authentisches Einstehen und persönliche Werte ein Garant für Selbstfürsorge und Glück. Der Körper ist dabei ein guter Signalgeber. Er fängt klein an. Hier ein paar Stiche, dort ein Rumoren. Er sagt: „Hör zu. Vielleicht ist es noch keine große Sache, aber kümmere dich darum. Du weißt doch, was du eigentlich brauchst. Hör mal in dich rein! Handle! Sprich mit deiner Frau, Freundin, Ehemann oder Freund. Tu was, ich weiß ja auch nicht genau was, aber fang an, das Genaue kommt dann schon. Mach erst mal die Tür auf und lass Luft rein.“  Wer nicht hört muss fühlen. Wer nicht auf diese kleinen Signale hört, bekommt stärkere Botschaften, vielleicht einen Tinitus. Doch auch das kann überhört werden. Dann werden die ganz großen Geschütze aufgefahren. Ein ehemaliger Klient von mir hatte mehre Berufe, die er ausübte, zwei Baustellen bei Freunden, denen er beim Hausbau half und einen großen Garten mit vielen Tieren. Zudem war er Mitglied bei der Feuerwehr und Vorsitzender und Schiedsrichter des örtlichen Fußballvereins. In seinem Garten standen zu Zier zwei selbstgebaute Sitzbänke, die er nie nutzte. Jetzt stellte der Arzt den Beginn einer Krankheit bei ihm fest, die sich fortschreitend entwickelte. Seine Sehfähigkeit und der Bewegungsablauf würden sich immer mehr einschränken, Stress lasse die Krankheit schneller fortschreiten. Medikamente und vor allem Ruhe und Entspannung wirkten der Krankheit entgegen. Er musste jetzt seine Sitzbänke nutzen, das war schwierig für ihn. In Gesprächen stellte sich heraus, sein Vater brachte ihm bei auf Bäume zu erklettern, indem er auf seine Beine einschlug. Er bekam als Kind nur etwas zu essen, wenn er etwas geleistet hatte…

Der eigenen Spur zu folgen, erfordert mitunter Mut. Andere mögen mich nicht verstehen, vielleicht lachen sie mich aus oder ich muss eine finanzielle Einbuße hinnehmen. Vielleicht braucht es auch den Ungehorsam gegen alte, kindliche Sätze: Ich muss zuerst was leisten, bevor ich faul dein darf.

Wer viel Sicherheit braucht, bei dem fühlt sich das Glück nicht zu Hause. Wer viel Sicherheit braucht macht viele Kompromisse und ist bereit sich zu verbiegen. Das tut dem Rückgrat nicht gut, vielleicht gibt es einen Bandscheibenvorfall, doch scheinbare Sicherheit beruhigt erst einmal. Erst einmal. Leider nicht wirklich. Morgen früh stehen meine Ängste wieder vor meinem Bett, warten freudig auf mich und fordern wieder Sicherheiten ein. Meist sind sie alt. Gehören schon seit meiner Kindheit zu meiner Herkunftsfamilie oder sind eigentlich die Ängste anderer, vielleicht die meiner Eltern, die ich eingeatmet habe. Hier braucht es als Zutat zum Glücksrezept ein besonderes Mittel: Ermutigung. Die gibt es vielleicht bei der Partner*in oder Freunden oder in einem selbst. Am besten in Zwiesprache gehen und einen Teil von sich selbst erinnern. Diesen Teil der Ermutigung, den wir als Kind vielleicht nicht erlebt haben, schlummert in uns. An der Stelle, als wir Träume hatten, Visionen und Ideale haben sie sich erhalten. Überlebt. Da, wo unser Herz schlägt, fühlen wir uns wieder lebendig! Ein Ausflug in die Jugendzeit lohnt sich vielleicht: Was wollte ich schon immer tun? Was könnte ich noch tun? Was würde ich gerne tun?

Die Eltern der „Kellys“ haben sich ihren Traum wahr gemacht und damit Verbundenheit in der Familie geschaffen. Zugehörigkeit ist seit Geburt die große Sehnsucht eines jeden Menschen.

In diesem Zwiegespräch höre ich vielleicht in mir: Lerne eine andere Sprache oder ein Musikinstrument zu spielen. Probiere es und wenn es nichts wird, weißt du mehr als vorher.

Als der Meister gefragt wurde, ob es ihn denn nicht entmutige, dass all seine Mühe anscheinend kaum Früchte trug, erzählte er die Geschichte von einer Schnecke, die an einem kalten, stürmischen Tag im späten Frühjahr aufbrach, um den Stamm eines Kirschbaums emporzuklettern. Die Spatzen auf dem Nachbarsbaum lachten über ihr Unterfangen. Ein Spatz flog auf das Haus der Schnecke und piepste: „He du Dummkopf, siehst du nicht, dass auf dem Baum keine Kirschen sind?“

Die Schnecke ließ sich nicht aufhalten und sagte: “Macht nichts. Bis ich oben bin, sind welche dran.“

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„Wir genießen“


Lasse 42 und Lisa 37 mit Leona 4 und Levia 2 Monate

 beide Tischler


Lisa: „Ein Wohnwagen war für uns zu teuer. So bin ich auf´s Dachzelt gekommen. Ich habe zwei Jahre überlegt und recherchiert. Ich, das heißt wir, brauchen den Luxus nicht. Wir genießen das Leben und die Natur. Und mit Campen sind wir in der Natur. Das ist mir auch für unsere Kinder wichtig. Sie spielen mit dem, was sie draußen finden, und andere Kinder finden sich auch.“


Lasse: „Unser Auto haben wir selbst ausgebaut. Wir können das ja von Hause aus. Wir sind Tischler. Als Tischler haben wir uns auch kennen gelernt, beim Küchenbau. Hat uns Glück gebracht der Beruf. Ich bin zurzeit in Elternzeit. Wir wollen mehr Lebensqualität und so zu leben macht es auch möglich.“


Lisa: “Arbeit ist gut und toll. Wir genießen aber auch unsere Freiheiten und Familie. Und das ist mit dem ausgebauten Auto und dem Dachzelt wunderbar möglich. Gerne besuchen wir Bauernhöfe vom „Landvergnügen“ ( ). Dort können wir umsonst mit dem Auto stehen und gleichzeitig haben unsere Kinder den Kontakt zu Tieren. Unsere Levia hat heute im Dachzelt durchgeschlafen, das tut uns gut und ich glaube auch ihr. Für uns ist das Neuland mit einem Baby unterwegs zu sein. Und es war eine gute Erfahrung. So nah an der Natur, eigentlich in der Natur. Ich kenn das ja von meiner Zeit als Kind. Meine Mutter war Camperin.“


Lasse: „Ich komme nicht aus der CamperSzene. Meine Eltern hatten nix mit Campen am Hut. Doch ich bin offen und mache fast allen Blödsinn mit. Und mir gefällt es ja. Ich bin froh darüber, ich hätte etwas verpasst.“


Lasse hält Levia auf dem Arm, die an Paps Daumen nuggelt. Leona will zu einem Nachbarskind, hat aber noch Anlaufschwierigkeiten und überlegt, ob der Mut schon reicht für die neue Kontaktaufnahme. Echte Blumen stehen in einer Glasvase auf dem Tisch. Ein gemütliches, harmonisches Bild. Ich glaube, die haben ihr Glück richtig gut zusammen getischlert, echt und auch für Blödsinn auch mal zu haben.  Und dabei darf Vieles möglich sein, auch ein bisschen Angst, ob´s gutgeht (mit der Kontaktaufnahme des Mädchens vom Nachbarszelt oder wie ein Säugling auf ein Zelt reagiert).

  


Meine Gedanken



Wenn wir Verantwortung für andere tragen, sind wir oft vorsichtiger. Wir bauen Gefahren vor, so gut das möglich ist. Das ist auch gut so. Es scheint um ein Gleichgewicht zu gehen, zwischen Vorsicht und Mut zum Neuen.

Das, was das Leben schwer macht, lässt den Blick oft eng werden. Es wird auf das, was mich im Griff hat, geschaut. Wenn Paare zu mir kommen, lasse ich sie zuerst eine Übung machen: Einer fasst den anderen mit beiden Händen an den Handgelenken. Dieser soll sich wehren, der Zupackende darf nicht loslassen. Was geschieht? Beide schauen wie hypnotisiert auf die Handgelenke und das, was einem im Griff hat. Je mehr sich der eine wehrt packt der andere fester zu. Wie im Streit. Am Ende sind beide erschöpft und es gibt keine gute Lösung, beide bleiben im Unglück.

Wenn wir etwas geschafft haben, nach einer intensiven Konzentration atmen wir oft unbewusst lange aus. Wie ein Seufzer. Dieses Ausatmen entspannt unser Nervensystem. Zu seufzen ist also gesund für unser neuronales System.

Im Stress kann ich nicht entspannen, niemand kann das. Deshalb ist auch der Anspruch ruhig zu bleiben in einer unschönen Situation totaler Quatsch. Sinnvoller wäre es mehrmals zu seufzen, umherzugehen und zu hüpfen. Tanzen könnte auch helfen. Wer sich das traut in einer solchen Situation ist gut dran. Sie erinnern sich an die Verkehrsampel im Kapitel über Erik: Ein Halt! zu machen und Ja zu dieser (blöden) Situation zu sagen wäre angesagt. Im Seufzen gehe ich in meine Präsenz, ins Jetzt. Ich werde mir bewusst und bin nicht „ausser mir“. Und wenn ich Glück habe, bin ich nicht mehr im gleichen Stress wie vorher. Ich bin wieder mehr bei mir. Das macht meinen engen Blick weiter und lässt mich über die Situation hinaussehen, und auf das, was mich gerade so im Griff hat. Auch wenn „es“ mich im Griff behält: Was könnte ich tun, um mein Gefühl Opfer zu sein zu reduzieren? Oder sogar ins Gegenteil zu bringen und Mitgestalter zu werden?

Es gab einen Menschen, der konnte nichts Schönes und Gutes bei anderen sehen. Als er in einer Oase spazieren ging, sah er eine junge Palme im besten Wuchs. Hämisch grinsend legte er einen schweren Stein auf die kleine Krone des Palmbaums. Die Palme versuchte die Last abzuwerfen; sie schüttelte und bog sich, doch vergebens. Sie wuchs tiefer in die Erde, bis ihre Wurzeln verborgene Wasseradern entdeckten. Diese Kraft aus der Tiefe und das Licht der Sonne über ihr, machte sie zu einer königlichen Palme, die auch den Stein hochstemmen konnte.

Als der Mann die Oase nach Jahren wieder besuchte, um sich an dem Krüppelbaum zu erfreuen, senkte die Palme ihre Krone und zeigte den Stein. Sie sagte: „Ich muss dir danken. Deine Last hat mich stark gemacht.“

Die Glücksforschung spricht von Resilienz. Resilienz beschreibt die Fähigkeit, Schwierigkeiten und Krisen mittels eigener Ressourcen zu meistern und für die persönliche Entwicklung zu nutzen. Wenn es um Glück geht, scheint es auch um eine bestimmte innere Haltung zu gehen: Weg vom sofortigen Weghaben-wollen des schlechten Gefühls zu einem Zulassen desselben. Wenn Sie ein Gefühl achtsam beobachten, kann das sehr hilfreich sein fürs Glück. Im Beobachten können Sie Distanz zu ihm aufbauen. - dadurch kommen Sie weg vom Getrieben-sein, Gefühle und Gedanken schnell loswerden zu wollen. Sie können das Gefühl gleichzeitig spüren und bewusst beobachten. Zulassen. Wenn das Gefühl beobachtet wird, verliert es an Macht. Auch das mögliche Nicht-fühlen lässt sich beobachten. Die Leere wird sich auch da verändern können.

Mir scheint, Lisa und Lasse können das Jetzt ganz gut leben. Vielleicht helfen ihre Kinder ihnen dabei. Kinder sind eher im Hier und Jetzt. Jetzt ist es gerade ganz schlimm und fünf Minuten später schon wieder ganz anders. Das zu erleben lässt sie vielleicht gelassener bei Dramen sein, denn es bleibt nicht so, weder im Schlimmen aber auch nicht immer im Glück. Jahreszeitlich halt. Im Wechsel. Gehört zum Großwerden. Wieso eigentlich nicht auch bei uns Großen. Wir können doch auch noch wachsen?

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„Schöne Dinge sehen“

 

Theresa, 39 mit ihrer Nichte Ina, 9

Physiotherapeutin auf einer Intensivstation

 

I: Ich bin mit meiner Tante Theresa mitgefahren. Das erste Mal Ferien ohne meine Familie. Meine große Schwester war schon mal mit der Tante unterwegs und sie hat so geschwärmt. Da wollte ich auch mal mit.“


M: Wie bist du darauf gekommen, mit dem Dachzelt unterwegs zu sein?


Th: In meiner Arbeit sehe ich Dinge, die niemand unbedingt sehen will. Und da gibt es viel Stress, nicht weil ich damit nicht umgehen könnte, sondern wegen der Arbeitsbedingungen und den Schicksalen an sich. Mein Auto mit dem Dachzelt ist meine Alternative. Ich werde nicht verplant, und vor allem: ich sehe schöne Dinge. Ich brauche ein kleineres Auto, weil ich viel innerhalb der Stadt unterwegs bin und Parkplätze finden muss. Und das Dachzelt darauf ist natürlich auch eine preiswerte Sache. Ich brauche keinen großen Camper, mit dem ich mich verschulden müsste. Das hier gibt mir ein zufriedenes Gefühl von Flexibilität.


M: Häufig höre ich von Menschen, die Campen, dass sie diese Erfahrung aus Kindertagen mitbringen. Wie ist das bei dir?

Th: Ja, so ist es auch bei mir. Zelten hat für mich etwas aus der Kindheit. Etwas Leichtes. Und wenn ich allein unterwegs bin, ist mein Hund dabei. Der passt auf mich auf. Mein Mann fährt hin und wieder auch mit. Er hat aber auch andere Interessen. Wir können ganz gut etwas alleine unternehmen. Diese Freiheit gibt mir die Möglichkeit einfach loszufahren und es mir gut gehen lassen. Mein Hund gibt mir dann die notwendige Sicherheit.

M: Da hast du eine tolle Tante, Ina.  Die macht sich ihr Leben schön und weiß wie das geht.


I: Meine Tante ist auch ein bisschen verrückt, aber das liegt in dieser Familie… .

 

Ja, vielleicht ist verrückt ja mehr ein Ver-rücken von althergebrachten Dingen. Altes auseinanderrücken und umstellen (in den Keller oder ins Recycle-Lager) schafft Platz und macht es schöner. Das wäre nicht das Schlechteste. Und vielleicht hast du Ina, auch was davon abgekriegt. Es ist immerhin auch deine Familie. Ich hoffe doch und wünsche es dir.


Meine Gedanken



Zum Glück gehört also auch die Freiheit. „Wir können ganz gut auch etwas allein unternehmen“, sagt Theresa. Auch hier wieder ein Gleichgewicht von zwei scheinbar widersprüchlichen Aspekten: etwas allein machen – etwas zusammen machen. Das Gleichgewicht, wieviel von jedem, muss das Paar für sich herausfinden.

Der Neurobiologe Bauer spricht über das soziale Gehirn. Wir Menschen hätten in der Evolution nicht überlebt, wenn wir nur in Konkurrenz gegangen wären; wir brauchten und brauchen auch die Fähigkeit der Kooperation und Gesehenwerdens. Aus dem Bedürfnis der Zugehörigkeit haben wir angeborene Mechanismen der Empathie, Spiegelneuronen mit ins Leben bekommen. Damit die Bindung zwischen Baby und zuständigem Erwachsenen auch funktioniert, sendet das Baby Signale aus, die den Erwachsenen unbewusst ansprechen. Das Baby lächelt und die Mama oder Papa sind begeistert, das Baby brabbelt und die Eltern hören das erste gesprochene Wort und heben es hoch und strahlen es an. So entwickelt sich Bindung und das Baby kann sicher sein, die Eltern vergessen es nicht im Supermarkt – wenn die Bindung stimmt.

Doch wie hoch darf der Preis für das Glück sein? In der Partnerschaft kommen zwei Individuen zusammen, die sich jetzt zusammengehörig fühlen und dennoch zwei Einzelne bleiben. In einer Gemeinschaft braucht es Regeln, unbewusst und bewusst verhandelte und die Frage dabei ist stets, welcher Preis wird dafür gezahlt. Wo geben Regeln Halt und Orientierung und wo bedrohen sie die Freiheit und damit das Glück für einen selbst oder das der Gemeinschaft? Natürlich muss ich Rücksicht per Empathie auf die Bedürfnisse meiner geliebten Partner*in oder der Gruppe nehmen, doch wenn das Opfer die Besonderheit des anderen Menschen oder das der Gruppe kosten sollte, dann ist der Preis zu hoch. Wenn ich einen starken Wunsch im Herzen trage, sollte ich nicht dem Partner oder der Gruppe zuliebe sofort darauf verzichten. Hier bringen Opfer spätes Leid und sie werden sich rächen. Vielleicht ist das, was dieser Mensch als Bedürfnis in seinem Herzen trägt gerade das, was ihm Kraft gibt und ihn selbst bereichert. Die Freiheit so sein zu dürfen, wie er es für sich braucht, um daraus Kraft zu ziehen, braucht von dem Gegenüber auch die Bereitschaft zur Freiheit. Das ist mitunter in jeder Partnerschaft und jeder Gesellschaft das schwierigste Unterfangen und zu oft, weil es Zeit braucht und ein Prozess ist, wird mit Macht- und autoritärem Gehabe darauf reagiert.

Mein Respekt, Theresa darf glücklich sein, wenn sie mit ihrem Hund und dem DZ unterwegs ist, und der Ehemann darf glücklich seine anderen Interessen leben und manchmal gehen sie zu viert los… .

Wir sollten Glück für möglich halten. So wie Theresa.

Ihre Arbeit auf einer Intensivstation lässt sie Dinge sehen, die traumatisch nachklingen können. Ich habe großen Respekt für Menschen, die als Notfallärzte zum Beispiel Unfallopfer oder suizidale Menschen, die sich unter den Zug geworfen haben, behandeln. Genauso wie für Pfleger*innen, deren unterbezahlte Tätigkeiten ihnen Übermenschliches abverlangen; ich könnte die Liste noch länger machen… . Wer nicht glaubt, dass es ein Wunschzimmer der Möglichkeiten für das Glück gibt, wie im Kapitel mmmmmm beschrieben, der gibt sich auch nicht die Freiheit, aus seinem momentanen Zimmer heraus zu treten und neue Räume zu finden. Selbst wenn das Zimmer im Hier und Jetzt voller Unrat ist und immer wieder Chaos darin herrscht, so ist es doch das Zimmer unseres Lebens. In ihm gibt es viele dinge die wichtig und wertvoll sind. Deshalb versuchen wir auch stets das, was in Unordnung geraten ist, auf unsere Weise aufzuräumen, selbst obwohl wir wissen, dass das nicht von Dauer sein wird. Auch wenn das, was wir einsetzen in der fortwährenden Bemühung um eine Lösung zum Scheitern verurteilt ist, zeigt dieses Bemühen doch, dass wir unser Leben lieben. Und es zeugt davon, dass jeder Mensch auch die Kraft besitzt, etwas zu verändern, um glücklich zu werden. Nur halt nicht mit einer Form, die wirklich hilft. Watzlawick, ein verstorbener Kommunikationswissenschaftler, nannte diese Art von Lösungen Lösungen erster Ordnung, der Versuch, die Mittel einzusetzen, die eigentlich zum Problem geführt haben: Die Ehefrau, deren Ehemann viel Alkohol trinkt, versteckt die Flaschen, was dazu führt, dass der Ehemann noch findiger in seiner Suche werden muss, was wiederum die Ehefrau dazu animiert noch findiger in ihren Verstecken zu werden, was wiederum dazu führt… . Mehr von Demselben hilft oft nicht. Lösungen zweiter Ordnung sind eher paradox und kreativ. So hat Watzlawick einem Ehepaar, das seit Jahren nicht mehr miteinander schlief, und die es gerne wieder wollten, vorgeschlagen sich nackt ins Bett zu legen und sich zu berühren. Sie sollten aber auf keinen Fall Sex haben. Das sei streng verboten für den Erfolg in dieser Therapie. In der Entspannung konnte sich viel entwickeln und nach einer Zeitlang hatten sie sich dem Verbot widersetzt. Natürlich.

Das Glück liegt manchmal an einer Stelle, die gar nicht so offensichtlich ist, manchmal sogar im Gegenteil:

Ein Rabbi hatte zu tief ins Glas geschaut und wankte nach Hause. Vor der Haustür suchte er in seiner Hosentasche den Haustürschlüssel und fand ihn nicht. „Vielleicht ist er aus meiner Tasche gefallen“, dachte er und begab sich auf die Suche. Vor der Haustür lad der Schlüssel nicht. Da sah er die Straßenlaterne und suchte dort weiter. Er ging links herum und rechts herum. Nichts war zu finden. Als ein Freund vorbeikam und ihn so sah wunderte dieser sich. Der Rabbi klärte ihn auf und bald suchten beide im Schein der Laterne nach dem Schlüssel. Doch er fand sich nicht. Verzweifelt fragte der Freund, ob er sich sicher sei, hier an der Laterne den Schlüssel verloren zu haben. „“Nein“, meinte der Rabbi. Warum, so sein Freud, suche er dann hier im Schein der Laterne? „Na, weil es da am Hellsten ist“, erwiderte der Rabbi.  

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„Mein Spleen“

 

Christopher, 49           und          Diana, 37

gelernter KFZ Mech./                 BTA

Masch. Bau. Ing.

 

 

Neben diesem Riesenunimog komme ich mir recht klein von. Das Fahrzeug ist allein von seiner Größe beeindruckend und beherrscht die Gesamtsituation.

Ch: Vor 30 Jahren habe ich mich verliebt in die Unimogs. Ich habe ein Faible für diese Autos. Ich kann´s gar nicht sagen wieso. Unser Unimog hier ist langsam und laut. Er ist etwas, was man nicht braucht… stimmt… ist halt ein Spleen von mir. Vielleicht ist er ein Kindertraumauto. Alle Kinder winken nämlich immer, wenn ich irgendwo mit ihm, den Unimok, auftauche. Ein richtiger Eyecatcher.. .

 

D: Wir waren mit ihm im Baltikum, auf Island, das war besonders schön. Mit diesem Auto lernst du viele Leute kennen… .

Ch:  Ja, wir machen mit ihm nur positive Erfahrungen. Wir sind absolut überrascht, wie positiv die Leute darauf reagieren. Und viele Kinder kennen auch den Namen: Unimog. Erstaunlich. Klar, umweltökologisch ist das nicht. Da macht mir mein Gewissen schon zu schaffen. Aber ich komm von ihm nicht weg. Das Fahrzeug braucht viel Pflege. Ich habe das ja gelernt. Ohne das ginge das gar nicht. Es gibt regelrechte Spezialisten für die Ersatzteile. Und die kosten auch. Tja, Spleen halt.

 

Diana und Christopher stehen vor ihrem Unimog und umarmen sich. Ich glaube, Christopher ist doppelt verliebt, in Diana und in seinen Unimog. Doch wer kommt dabei an erster Stelle? Na, das lass ich mal lieber offen. Der Unimog scheint da eine ganz alte Liebe zu sein.

 

Meine Gedanken

Im Jahr 1946 wurde das Universalauto als „Universal-Motor-Gerät“ (Abkürzung Unimog) gebaut, um in der Landwirtschaft eingesetzt zu werden. Seine Unverwüstlichkeit und Vielseitigkeit sollten so nutzbar bei Kommunen, im Forst, bei der Feuerwehr oder auf der Schiene eingesetzt werden. Die Schweiz erkannte als erste die Bedeutung im militärischen Einsatz. Heute spielt der Unimog immer noch eine bedeutende Rolle im Militär und im Katastrophenschutz. Es gibt Fangruppen, jährliche Treffen und ein Museum für die Unimogs.

Ohne die Bereitschaft, in einem Maße an einem Traum auch zu leiden, werden wir unseren Weg nicht gehen. Das verstehe ich unter Leidenschaft. Lieber will ich Erschöpfung und Enttäuschung hinnehmen, wenn das bedeutet, vom ganzen Herzen und von ganzer Seele und ganzer Kraft gelebt zu haben. In der enttäuschungsfreien Mittelmäßigkeit ist kein Glück zu finden.

Ich will nicht wissen, an wie vielen Tagen Christopher unter seinem Auto liegt, an ihm rumschraubt und sicher auch schweißt und wie ihm Rücken und Finger dabei weh tun. Und er ist glücklich. Er hat einen Spleen. Glück und Verzweiflung sind einander an der Grenze der Erfahrung sehr nah. Mich beindrucken Menschen, die bereit sind an ihre Grenze zu gehen, und dort – und wahrscheinlich nur dort! – bereit sind Frieden mit ihrer Unvollkommen zu schließen. Sie haben das Recht zu scheitern und weiterzumachen. Sie geben sich hin und finden Glück. Und wenn es „nur“ bei einem Unimog ist.

So betrachte ich Christopher, der stolz vor seinem Unimog steht. Vielleicht findet er diese Worte für ihn zu pathetisch. Für mich sind sie stimmig. Zu ihm passt der Unimog, der nicht ökologisch, zu laut und langsam ist. Vom Verstand her ist solch ein Auto ein Blödsinn. Der Zustand eines künstlerischen Erkennens von Etwas hat dort jedoch seinen berechtigten Ort, wo der Verstand nicht über den Dingen steht. Hier hat dann die Kunst, die Inspiration Platz und die ist meistens mit Glück besetzt. Christopher weiß es selbst nicht, woher seine Begeisterung für den Unimog kommt, es hat nichts mit Vernunft zu tun. Und bei aller Vernunft: wo nur Vernunft Platz hat, ist kein Platz mehr für das Glück. Gerade in der Unvernunft liegt oft das Glück und Spaß.  


 

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"Wir entscheiden, welche Wege wir gehen wollen“

 

Jannik, 33 und Stephie, 31

ITler und Biochemikerin

 

Stephie ist seit drei Tagen wieder Studentin; sie studiert Tontechnik. Sie will die Biologie und die Technik zusammenbringen. Ihr Equipment beim Campen lässt sich gut in einem Kleinwagen unterbringen, auf dem auch ihr Dachzelt geschraubt ist. Ihre frühere Arbeit hat Stephie aufgegeben; sie hat sich weiterentwickelt und braucht neue Herausforderungen. „Außerdem kann die Entwicklung der Biochemie auch kritisch gesehen werden. Das hat mir Probleme bereitet“, sagt kauend Stephanie.

Seit zwei Jahren haben sie ein Dachzelt und freuen sich über ihre Möglichkeiten, die sie damit haben, wie sie sagen. Sie können spontan losfahren und kriegen überall bei der Größe ihres Autos einen Parkplatz. Sie sind selbstbestimmt. Machen da halt, wo es ihnen gefällt.

J: Wir fühlen uns so frei.

St: Wir entscheiden, welche Wege wir gehen wollen. Einen unerträglichen Zustand aushalten bloß wegen der Kohle ist nichts für mich.

J: Wir leben Jetzt und nicht erst in der Rente… .

Meine Gedanken

 

Hut ab vor dieser Generation. Meine Eltern standen für Erst die Arbeit, dann das Vergnügen und für Vom Leben bekommst du nichts geschenkt. Jannik und Stephanie leben im Jetzt und machen es sich leicht. Leicht werden sie es auch nicht immer haben, doch scheinen sie etwas aus ihrer Biografie mitzubringen, das es ihnen ermöglicht, immer wieder dahin zu kommen. Sie entscheiden sich fürs Glück.

In den Erkenntnissen der Glücksforschung spielt die Zukunftsorientierung eine bedeutende Rolle für die Gestaltung von Glück. Wer den Blick nach vorne richten kann, vermag so manche Stromschnellen und Schluchten leichter überwinden. Der- oder diejenige findet sich mit dem Status quo nicht ab. Die Vision einer besseren, glücklicheren Zukunft mobilisiert Kräfte. Wer an Veränderung glaubt, findet leichter den Mut, heute damit zu beginnen. Das gibt das Gefühl von Selbstwirksamkeit und das macht Glücklich. Auf dem Weg der Vision darf es auch schwierig werden. Das visualisierte Bild der Zukunft gibt ausreichend Motivation. Ein Experiment aus der Glücksforschung zeigt, dass widrige Umstände stark machen können. Es braucht aber auch die Erfahrung der Befriedigung und das sich Sattfühlens während der Anstrengung:

Es wurden drei Gruppen von Hundewelpen unterschiedlich gefüttert. Die erste Gruppe erhielt die Milch genau in der Zeit, in der sie diese von der Mutterbrust erhalten hätten. Die zweite Gruppe durfte über eine größere Öffnung trinken und war in der Hälfte der Zeit satt. Die dritte Gruppe musste sich über eine kleinere Öffnung die Milch mühevoll erarbeiten und wurde in der doppelten Zeit erst satt. Die später erwachsenen Hunde wurden in ihrem Verhalten daraufhin beobachtet, ob sie eine führende Rolle im Rudel übernahmen. Es überrascht nicht, dass dies in der dritten Gruppe signifikant höher war. Die Hunde hatten gelernt, dass es sich lohnt durchzuhalten und sich anzustrengen, um satt zu werden. Sie übertrugen diese Bestätigung auf andere Bereiche in ihrem Leben. Das Sattwerden der Hunde bedeutet übertragen ins menschliche Leben ein gutes Maß an Ermutigung von den Eltern erhalten zu haben– Ich traue es dir zu, der angeborene Wunsch nach Gesehenwerden – Ich nehme dein Tun und Sein wahr und freue mich an dir und die Bestätigung - Ich bin richtig und gewollt. Das ist eine gute Ausstattung fürs Glück, auch wenn unterwegs Stromschnellen den Weg erschweren: Ich traue es mir zu und mache es so gut ich kann. Menschen, die nicht so viel Glück mit der Grundausstattung hatten, sollten deshalb gerade das, was sie am meisten vermissten, sich selbst geben: Ich ermutige mich selbst – Das habe ich gut gemacht und Ich bin gewollt. Und einen passenden Partner dazu, die diese Gaben gern verschenkt und nicht mit ihnen geizt, ist natürlich auch eine gute Zutat fürs Glück. Stephie scheint eine gute Wahl getroffen zu haben. Jannik unterstützt sie ermutigend bei ihren Visionen und auf ihrem Weg.

 

Jeder schafft sich seinen eigenen Himmel, oder Hölle… So die Geschichte, die mir dazu einfällt. Einer wollte wissen, wo die Hölle und wo der Himmel sei. Da führte ihn eine weise Frau durch ein Tor in einen großen Palst. Durch ein Eisenportal betraten sie einen großen Saal. Dort drängten sich viele Menschen, Arme und Reiche, in Lumpen gehüllt oder mit Edelsteinen geschmückt. In der Mitte des Salles stand auf einem offenen Feuer ein Topf voll mit brodelnder Suppe. Der eintopf verbreitete einen angenmehmen Duft. Umm den topf herum drängten sich hohwangige und abgemgerte Menschen, von denen jeder versuchte, sichn einen Teil der Gierig stocherten die hungernten in dem Eintopf herum. Jeder wollte seinen Teil doch keiner bekam ihn. Da der Löffel zu lang war reichte er nicht an ihren Mund heran, auch der Stärkste bekam ihn nicht in seinen Mund.

Schimpfend gingen sie auseinander und verschütteten ihre Suppe über die Schultern der andern. Die schlugen um sich und es gab ein großes Hieben und schlagen. Die weise Frau sagte zu ihrem Begleiter: „Das ist die Hölle.“

Nach einer langen Wanderung kamen sie zu einem anderen Palst mit einem ebenso großen Saal. Dort saßen auch viele Menschen um einen Topf am offenen Feuer herum. Auch sie hatten lange Löffel. Aber alle Menschen hier waren wohl genährt. Es war ein leises Summen zu hören und das eintauchen von Löffeln in die Suppe. Zwei Menschen hatten sich jeweils zusammen getan. Einer tauchte den Löffel ein und fütterte den anderen. Wurde ihm der löffel zu schwer halfen ihm zwei andere mit ihrem Esswerzeiug, so dass jede und jeder in Ruhe essen konnte. War der eine gesöttigt, kam der oder die nächte an die Reihe.

„Das ist der Himmel“, sagte die Frau zu ihrem Begleiter. (Peseschkian).

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„Wenig planen – ins Auto und dann los“

 

Cedric, 25 und Fabian, 28

Beide Baumaschinenmechaniker

 

Beide sind gute Freunde. Und was ich schon öfter hörte, auch hier gibt es wieder eine frühe Campingerfahrung als Kind. Die scheint nicht geschadet zu haben. Der Campingbus ist top ausgestattet. Sicher alles selbst eingebaut. Baumechaniker eben. Doch mit dem schicken Bus wollen sie nicht auf konventionelle Campingplätze. „Das ist nicht so unsere Sache… .“

Diese beiden coolen Typen sitzen lässig in ihren Campingstühlen und chillen. Sie lieben das ungezwungene Leben, sagen sie. Wollen in der freien Zeit des Unterwegsseins wenig planen und flexibel bleiben: „Ins Auto und los und da bleiben, wo uns etwas anspricht. Eine schöne Landschaft, etwas Interessantes eben.“

Fliegen ist für sie kein Thema, der ökologische Fußabdruck sei zu groß. Doch Beweglichkeit ist für beide eine wichtige Sache. Deshalb das Auto. In dem ist alles drin. „Du kannst an jeder Ecke stehen, kannst kochen wann du willst und ein kühles Getränk ist auch immer da.“ Absolute Unabhängigkeit.

Die Ruhe, die die beiden ausstrahlen, ist ansteckend. Auf einmal fallen mir keine Fragen mehr ein. In mir kommt auch so eine Chillstimmung auf. Alles ist gut so wie es ist.

Tja, was gibt es da noch Großes zu sagen. Ist wohl alles gesagt. Einfach dazusetzen und mit chillen. Pure Gelassenheit.

Prost Jungs!


 

Meine Gedanken

 

Cedric und Fabian machen das, worauf sie Lust haben. Sie haben genaue Vorstellungen was sie wollen und brauchen und setzen dafür auch persönliches Engagement und Ausdauer ein, wenn sie zum Beispiel den Bus sorgfältig ausbauen. Und natürlich haben sie bei dem Ausbau sogar noch persönlichen Lustgewinn.

Die Suche nach Lustgewinn ist ein angeborenes seelisches Grundbedürfnis (Firus, Firus). Ein innerer Zustand von Befriedigung und Freude wird deshalb von allen Menschen gleichermaßen gesucht. Natürlich beeinflussen kulturelle Kontexte die Möglichkeiten, diesen Zustand ausgiebig zu leben. Kapitalismus und das permanente Drehen an der Leistungsschraube, Fremdbestimmtheit und „moderne“ Arbeitsprozesse in Zeiten der Globalisierung geben den Takt vor.

Csikszentmihalyi beschreibt das innere Erleben bei einer Tätigkeit, die mit Lust getan wird und bei der/die Gestaltente ganz in der Sache aufgeht als Flow-Gefühl. Die daraus entstandene Flow-Forschung legte Ergebnisse vor, die belegen, wie wichtig und bedeutsam es ist, wie wir etwas tun und nicht was. Das bedeutet, die Haltung des Tuns ist wichtig. In der Regel entsteht flow, wenn wir unsere Fähigkeiten voll einsetzen, um eine Herausforderung zu bestehen, die wir gerade noch bewältigen können. Zum optimalen Erleben, zum Erleben von innerer Befriedigung und Freude, gehört ein feines Gleichgewicht zwischen der eigenen Handlungsfähigkeit und den verfügbaren Möglichkeiten zum Handeln. Flow entsteht auch bei anderen Tätigkeiten, wie zum Beispiel beim Musikmachen, Musikhören, Gartenarbeit, Kochen oder Tanzen und nicht zuletzt bei vielen Aspekten der täglichen Arbeit. Auch wenn diese Tätigkeiten mit der Zeit wie von selbst geschehen, so haben sie zu Begin meist immer eine hohe Energieaktivierung benötigt. Es sind also nicht unbedingt immer die diejenigen Tätigkeiten, die einem in den Schoß fallen, sondern auch oftmals um deren Umsetzung wir uns zu Beginn mühevoll einsetzen müssen, um zu solchen Glücksmomenten zu kommen. Dahin komme ich aber auch nur, wenn die Motivation groß genug und die Begeisterung auf das Zukünftige vorhanden ist. Die Hirnforschung spricht hier vom Belohnungsprinzip.

Ich kann mir gut vorstellen, wie Cedric und Fabian am Bus herumbastelten und wie stolz sie waren, dass alles funktionierte, die Kühlbox sich auf Schienen herausfahren ließ und der Gasherd mit ihrem Einsatz ein leckeres Gericht zubereitete. Sicher gibt es dabei jedes Mal ein Klick im Lust- und Belohnungszentrum ihres Gehirns.

Da fällt mir natürlich auch wieder eine Geschichte dazu ein:

Ein Esel, hungrig und schwer bepackt, wandert einen endlos weiten und beschwerlichen Weg. Rechts eine grüne Wiese, links eine grüne Wiese. Er aber sagt: „Ich gehe meinen Weg.“

Ein anderer Esel grast auf der grünen Wiese. Rechts ein weiter beschwerlicher Weg, links ein beschwerlicher Weg. Er aber sagt: „Hier geht es mir gut.“ (Hellinger).


 

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Happiness

„Seit gestern bin ich in Rente“

 

Manfred, 66

Automechaniker, in Rente seit gestern

 

Manfred ist tatsächlich seit gestern in Rente. „Jetzt habe ich keinen Zwang mehr und bin frei. Ich hab die Freiheit zu entscheiden, was ich heute mache und nicht mehr mache beziehungsweise machen muss“, sagt Manfred mit einem kleinen Lächeln im Gesicht mit grauem Bart.

Ziemlich lange drehte er im Rad der Arbeitswelt, hat funktioniert und Verlässlichkeit gezeigt. Jetzt ist mal Ruhe. Das, was er gelernt hat, kann er gut brauchen, um seinen Bus in Schuss zu halten. Manfred ist meine Generation. Auch er war seit Jugend an immer Campen. In jungen Jahren, erzählt er, ist er nach Korsika getrampt, später war er mit Frau und den beiden Kindern auf Campingtour. Jetzt sind die Kinder groß und zusammen mit seiner Frau geht´s dann los. Heut sind sie zusammen unterwegs: „Ich mach auch was mit dem Auto mal allein. Wir sind seit 48 Jahren ein Paar. Das schweißt zusammen. Da braucht es auch Freiräume. Ich habe immer gern gearbeitet. Jetzt in Rente… das ist wie heiraten oder Schuleintritt, ein großes Ereignis.“

Den Bus haben beide seit fünf Jahren, früher mit Kindern hatten sie einen Wohnwagen, wegen des Platzes, der mit vier Personen nötig ist.

Der Bus ist gemütlich eingerichtet. Von außen erinnert er mich an die Hippiezeit mit Prilblumen verziert. Für die jüngere Generation anbei die Erklärung: In den 70iger Jahren waren an den Spülmittelflaschen der Firma Pril ablösbare Klebeblumen angebracht, die überall draufgeklebt wurden. So auch auf den obligatorischen VW Bus.

Der alte Udo Jürgens fällt mir zu dieser Geschichte ein:

Ihr werdet euch noch wundern,
wenn ich erst Rentner bin.
Sobald der Stress vorbei ist,
dann lang ich nämlich hin.
Oho, oho, oho

Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an.
Mit 66 Jahren, da hat man Spaß daran.
Mit 66 Jahren, da kommt man erst in Schuss.
Mit 66 ist noch lang noch nicht Schluss.

 

Ja das stimmt, da ist noch lange nicht Schluss, aber das Leben fängt nicht erst mit 66 an. Wie lebe ich vorher? Der gelassene, ruhig wirkende Manfred hat gern seine Arbeit gemacht. Für mich macht er den Eindruck, dass er seine Arbeit liebte. Und er kann heute das, was er gelernt hat, immer noch brauchen. Dieses Handwerk scheint ihm Zufriedenheit gegeben zu haben und zu geben. Es war keine sinnlose, abstrakte Arbeit. Ich bin mir sicher, Manfred hat vor seiner Rente auch schon gelebt. Er wirkt zufrieden mit sich und ist sich bewusst, dieser neue Abschnitt, der erst ein Tag alt ist, ist so groß wie damals Heiraten. Mehr als ein halbes Leben ist er mit seiner Frau zusammen; da weiß er von was er spricht, wenn er sagt, das ist etwas Großes, dieser neue Abschnitt.

Manfred, ein zuverlässiger Handwerker, ein zuverlässig, liebender Mann.


 

Meine Gedanken

 

Stell dir vor, du müssest eine Arbeit machen, die du nicht magst… . Das wäre ein Garant fürs Unglücklichsein. Oder? Na ja, wer hohe Verdrängungsmechanismen draufhat, kann vielleicht ganz gut damit leben eine sinnleere Tätigkeit machen zu müssen, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Ich bin mir aber sicher, Verdrängung hat seinen Preis und der Körper spielt nur zu Beginn mit. Mit zunehmendem Alter lässt der sich auch nicht mehr betrügen. Wie im Kapitel XXXXX beschrieben, zeigen sich früher oder später psychosomatische Reaktionen. Arbeit macht mich glücklich, wenn ich sie mag und sie für mich eine sinnvolle Tätigkeit darstellt. Natürlich nicht jeden Tag, weil sie mir Strukturen wie Arbeitszeiten vorgibt. Manfred freut sich deshalb auch jetzt, dass jetzt mit den Vorgaben Schluss ist. Jetzt kann er selbst entscheiden, was er machen will: Ölwechsel bei seinem Bus oder sich in seinen Garten setzen und erst morgen an den Ölwechsel denken.

Mein abschließender Eindruck

 

Glück kann ich erfahren, wenn all meine äußeren Dinge „stimmen“. Mein Glück ist dann eine gute Position im Beruf, die Familie, mein Haus oder eine schöne Wohnung und vielleicht noch eine gute Figur und was ich sonst noch an Äußerem erstrebe und erreicht habe. Dieses Glück ist extrem brüchig. Äußere Dinge kann ich verlieren oder sie können mir weggenommen werden, Positionen ebenfalls und jede dritte Familie erfährt Trennung. Krankheiten können mein Leben auf den Kopf stellen und Kinder werden groß und leben ihr eigenes Leben.

Wenn ich an all die Interviews mit diesen unterschiedlichen Menschen denke, dann war Glück bei ihnen stets auch abhängig von den Möglichkeiten und Freiheiten, die diese Dinge gaben: einfach ins Auto mit Dachzelt und los – stehen bleiben wo es mir gefällt – kochen können, wann ich will – in der Natur sein und Zeit darin verbringen.

Bei vielen von ihnen konnte ich doch auch ein inneres Glücksgefühl erleben. Es schien mir so, als wenn das Dachzelt oder das Camperauto sie nicht allein glücklich „machten“, ihnen aber den Weg dahin bahnte und ermöglichte, zu tieferen Schichten ihrer Seele, ihrer Leidenschaften zu kommen, die Erfülltheit suchten und gelebt werden wollten.

Im Flow des gemeinsamen Musizierens der Familie „Kelly“ konnte ich das Glück spüren, das tiefer ist als der in die Wirklichkeit umgesetzte Traum des „Daktari-Autos“. Das „Daktarie-Auto“ gab ihnen den Raum mit genügend Platz, gemeinsam unterwegs zu sein, um Abenteuer zu erleben und die Verbundenheit als Familie zu spüren. Und gleichzeitig scheint es wichtig gewesen zu sein, diesen Traum verwirklicht zu haben, mit seinen eigenen Wirkkräften. Vielleicht geht dann davon auch ein Zauber aus, der stärkt, ähnlich wie bei Christopher mit seinem Baby dem Unimog.

Bei Erik konnte ich spüren, wie er sein Unglück verwandelte, und immer noch dabei ist zu verwandeln, sein Schicksal in Sinnhaftigkeit zu sehen. Es schien mir, dass ihm dieser Prozess eine große Reife ermöglichte nicht nur abhängig von äußeren Umständen zu bleiben, sondern seine Haltung aufs Leben zu schauen eine andere wurde. Der ihm Tiefe für das Leben verlieh.

Bei Manfred, am ersten Tag seiner Rente, konnte ich Dankbarkeit spüren für das, was ihm im Laufe der Jahre ermöglicht war. Diese Dankbarkeit, vielleicht gespeist aus einer sinnvollen Handwerkertätigkeit, einer langen Beziehung zu seiner Frau, seinem Erleben Kinder großgezogen zu haben und Dinge in seiner Jugend gemacht zu haben, die später mit Familie und Verantwortung so nicht mehr möglich waren. Der VW-Bus gibt ihm jetzt die Freiheit, die er vielleicht jahrelang vermissen musste, vielleicht das Gleiche tun zu können, aber jetzt selbstbestimmt.

Bei dem Tischlerehepaar spürte ich gleich zu Beginn, dass Auto, Zelt und Camping ihnen „nur“ die Möglichkeit gaben, das Leben zu führen, das für sie authentisch ist. Ihr Glück scheint sich nicht an Gegenständen fest zu machen, sondern eher in der Gestaltung von Beziehung zueinander. Lasse hat sich Elternurlaub genommen und an den Wochenenden geht es ins Grüne, um Zeit mit seinen Liebsten zu verbringen. Beziehung ist wichtiger als noch mehr Geld zu verdienen. Und das Dachzelt ermöglicht ihnen das zu leben, was ihre inneren Werte sind. Und dazu scheint auch Schönheit zu gehören, wie die Rosen in der Glasvase auf dem Campingtisch.

Cedric und Fabian, Sophie und Jannik und Stephie sind eine andere Generation. Was ich bei dieser Generation bewundere, ist ihre frühe Einstellung, dass Arbeit nicht alles ist. Sie müssen sich das Sich-Gutgehen-Lassen nicht erst verdienen, wie meine Generation, die von Eltern erzogen wurde, die Krieg erlebten und glaubten: Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Für diese Generation scheint wichtig, wie sie leben, was sie arbeiten und wofür sie das alles tun. Sie haben innere Werte wie Umweltschutz und Lebensqualität, die sie in Ausgewogenheit zu bringen haben. Das macht vielleicht manchmal das Leben anstrengend, aber bei ihnen schien es mir ausgewogen zu sein, ein Bewusstsein zu haben für die Umwelt und eine ganze Menge Leben zu leben, wie Constantin Wecker singt. Mit sich in Kontakt zu sein, in der Balance zwischen Anspruch und dem Fokus auf gutes Leben, schien mir, gaben Cedric und Fabian ihre Gelassenheit, und damit stilles Glück und Sophie die Möglichkeit ihre Natürlichkeit und ihre Spontaneität und die Neugier aufs Leben auszuleben. Und der selbstgestaltete Bus, der kleine Corsa und das Dachzelt von Jannik und Stephie gaben ihnen die Möglichkeit dazu, beides, Anspruch und authentisches Leben, in Einklang zu leben.

Bei Chris und Nori war deutlich zu spüren, dass die Vision der Weltreise, andere Kulturen, Sprachen und Speisen kennenzulernen, ein inneres Streben ihrer Neugierde aufs Leben und seine vielfältigen Formen ist. Das Auto und die Ausrüstung sind die Mittel zum Zweck. Sie sind nicht das Prestige, um ausgefallen zu erscheinen und den Selbstwert zu bestätigen. Sie brennen für ihre Vision. Sie bringen Opfer und gehen Risiken ein. ES sind keine materielle Werte, die sie brauchen und die, sie brauchen, müssen wüstentauglich sein. Die Vorbereitung, sich gedanklich in der Zukunft der großen Vision aufzuhalten, macht sie strahlend und glücklich, wenn sie davon erzählen. Und das Glück wird rund, weil sie jeweils einen Menschen neben sich haben, der sie versteht und mit ihnen teilt. Ein vollkommenes Glück. Wie Bauer, der Neurobiologe, feststellt: Das angeborene Bedürfnis, verstanden zu werden und das Teilen von tiefen Werten, beruhigt zutiefst und macht zufrieden glücklich, mehr als jeder Palast es vermag.

Bei Theresa glaubte ich eine große innere Freiheit zu erkennen, ihr Glück nicht zu sehr von außen, vom Partner, von Umständen des Allein-Unterwegs-Seins oder schwierigen Arbeitsfeldern abhängig zu machen. Über die augenblickliche Schwierigkeit hinauszuschauen, macht ihren Blick frei für große Möglichkeiten für Glück. Sie hält sich nicht am Gezerre ihres Partners auf und verschwendet keine Zeit den anderen verändern zu wollen, sondern richtet ihren Blick zum Beispiel auf ihre Nichten und verbringt so eine schöne, erfüllende Zeit. Für mich halte ich das auch für erstrebenswert, muss da aber noch ein bisschen üben, mich nicht so lange an Stellen abzuarbeiten, wo es eigentlich gar keinen Ausgang gibt.

 

 

Ein abschließendes Wort zum ökologischen Fußabdruck

Wer mit dem Auto, dem Camper, dem Unimog unterwegs ist, schadet der Umwelt. Ja das stimmt. Die Alternative, wird überall, auch von der Politik erzählt, sei das E-Auto. Nein, das stimmt nicht.

Das E-Auto fährt mit Lithiumbatterien, sie machen die Hälfte des Wertes eines E-Auto aus. Eine umweltgerechte und humane Gewinnung von Lithium und eine nachhaltige Entsorgung von Lithiumbatterien ist noch nicht geregelt. Hier ein Auszug von dem Artikel „Die Schattenseiten der Verkehrswende“ (Stand: 29.06.2023 – R. Baumgarten, SWR - Internet):

„Argentinien ist einer der Hauptproduzenten von Lithium - ein Metall, das auch Deutschland zum Bau von E-Autos braucht. Doch gegen den Abbau regt sich Protest im Land. Denn die vor allem ausländischen Gewinne gehen auf Kosten der Natur.

Die Proteste in Nordargentinien begannen friedlich, vereint im Kampf gegen den Ausbau der Lithiumförderung in ihrer Region, gegen drohende Umweltzerstörung und die Ausbeutung ihrer natürlichen Ressourcen. Dann wurden die Proteste gewaltsam. Bei der heftigen Straßenschlacht wurden 70 Menschen verletzt und Dutzende festgenommen. "Wir verteidigen unser Land", sagte eine verzweifelte Frau. "Wir wollen keine Sklaven sein. Wir haben schon viele Jahre gelitten." Das Gouvernement der nordargentinischen Provinz Jujuy will die Provinzverfassung ändern. Unter anderem soll das Recht auf Demonstration eingeschränkt werden. Die Einschränkung des Demonstrationsrechts, so fürchten Umweltaktivisten und Vertreter indigener Gemeinschaften, soll den Protest gegen den Ausbau der Lithiumförderung in ihrer Region zum Schweigen bringen. Die Provinz Jujuy verfügt über namhafte Vorkommen.

Bolivien verfügt über die größten bekannten Vorkommen an Lithium. Aus hier Proteste. Im Jahr 2012 wurde eine Tonne Lithium für 4000 Dollar verkauft. Ende letzten Jahres (2021) wurde sie für 78.000 Dollar gehandelt. Der größte Teil der satten Gewinne aus dem Lithiumgeschäft gehe an ausländische Minengesellschaften.

Grüne Energie auf Kosten der Natur.

 Der Lithiumabbau verursache vielerorts gigantische Umweltschäden, mahnen deren Gegner. In einer der trockensten Zone der Erde - im Länderdreieck Chile, Bolivien, Argentinien - wird zur Lithiumgewinnung mineralienhaltiges Grundwasser in gewaltige Becken gepumpt. Ist das Wasser verdunstet, kann aus den Rückständen Lithium gewonnen werden. Die Verkehrswende in westlichen Ländern vom Verbrenner zum E-Auto hinterlässt eine Schneise der Verwüstung, kritisiert der Umweltanwalt Enrique Viale.

Argentinien will die Lithium-Produktion verzehnfachen. Ein Dilemma für den Norden und für den Süden, meint Anwalt Viale, über das noch zu wenig nachgedacht werde. Vor allem nicht auf politischer Ebene. Während im "Lithium Dreieck" Lateinamerikas Bäche austrocknen, Flüsse verschwinden und vielerorts die karge Vegetation verdorrt, hofft Präsident Alberto Fernandez, Argentiniens Lithium-Produktion bis 2030 zu verzehnfachen. Die Betroffenen in den Abbauregionen profitieren kurzfristig von einer Verbesserung der Infrastruktur, von neuen Schulen und Straßen. Langfristig droht ihre Heimat aber auszutrocknen und zu lebensfeindlichen Zonen zu werden.“

Jedes Handeln hat Konsequenzen und ich habe auch keine schnelle Lösung parat, die eine nachhaltige, enkelfreundliche Mobilität gewährleistet. Unsere komplexe Welt braucht komplexe Lösungen. Gerade weil ich selbst mit einem Camper durch die Gegend fahre und die Umwelt belaste und mir natürlich Gedanken mache, welche Alternativen ich habe, will ich auf die schizophrene Situation hinweisen, die ich in Wirtschaft und Politik sehe. Ich wehre mich gegen die Illusion, dass das neue, ebenfalls kapitalistische Model eine bessere Lösung als das alte sei.  Der Neurobiologe Gerald Hüther schreibt: „Das Heil der Welt liegt nicht an anderen Maßnahmen, sondern an einer anderen Gesinnung“, zitiert nach Albert Schweitzer. Die Probleme lassen sich nicht mit den gleichen Denkweisen lösen, die sie erzeugt haben. Das gilt sowohl für die Gestaltung des eigenen Glücks – Sie erinnern sich: Lösung zweiter Ordnung – als auch für die Problemlösung und das Glück für unseren einmaligen Planeten. Es geht also darum, nicht von etwas, sondern für etwas frei zu werden und aus dieser Freiheit heraus Verantwortung zu übernehmen.

Es ist erstaunlich, dass intelligente Menschen wie Vorstände und Politiker einmal gefundene einseitige Lösungen, für allgemeingültige Strategien halten. Sie neigen dazu, neue Herausforderungen immer wieder mit den alten, synabsengebahnten Strategien bewältigen zu wollen, die früher erfolgreich waren, doch heute neue Innovationen brauchen. Menschen, bei denen solche Autobahnen in ihrer Synapsenführung entstanden sind, werden in ihren Handlungen immer rigider, verlieren zunehmend an Flexibilität und stehen sich und anderen immer mehr im Wege, neue Lösungen zu finden, die „Unterschiede machen, die einen Unterschied machen“ (Watzlawick).

 

Die 1% der reichsten Menschen verursachen einen CO2-Fußabdruck der 30 Mal höher ist als verträglich. Sie sind mit subventioniertem Flugbenzin unterwegs nach Sylt zu einer Party oder auf Geschäftsreise. Die Quote der Privatjets hat seit Coronazeiten zugenommen. „Mit einem einzigen Weltraumflug verursacht ein Milliardär mehr Emissionen, als jemand aus der ärmsten Milliarde Menschen in einem ganzen Leben zusammenbringt“, sagt Oxfam-Klimaexpertin Nafkote.

Vor Venedig stehen Riesenpassagierschiffe mit tausenden von Menschen an Bord. Die AIDAsol verbraucht pro Stunde im Hafen 1 Tonne Diesel – auf der Überfahrt von Oslo nach Hamburg gehen 100 Tonnen Treibstoff durch den Motor.

All diese Fakten sprechen mich nicht von meiner persönlichen Verantwortung frei, mich selbst umweltsorgsam zu verhalten, was ich auch tue. Diese Fakten sollen beschreiben, so mein Anliegen, wie groß die Illusion ist und wie sie politisch aufrechterhalten wird, welch maßgeblichen Einfluss (in der Relation zur Wirklichkeit) ich habe, wenn ich meinen Diesel stehen lasse oder mir ein E-Auto kaufe.

Die Zunahme von Campingautos und Wohnwagen seit Corona ist kein Zufall. „Die gesamte Caravaning-Branche hat durch Corona einen echten Schub bekommen“, sagt die Professorin für Tourismusmanagement Ina zur Oven-Krockhaus von der IU Internationale Hochschule in Hannover. Während Corona sind, mangels Alternativen, viele neue Kunden dazu gekommen, die Campen einfach mal ausprobieren wollten. Im Jahr 2020 verzeichnet das Kraftfahrtbundesamt in Flensburg rund 76.000 Neuzulassungen von Campmobilen, eine Steigerung von mehr als 40 Prozent. Und der Trend setzt sich fort: Von Januar bis September 2021 wurden knapp 67.000 Wohnmobile neu zugelassen - ein Plus von rund acht Prozent. In dieser Statistik tauchen nicht Dachzeltkonstellationen und andere Campmöglichkeiten, wie zum Beispiel PKW-Campboxen auf, denn auch hier ist Zuwachs zu verzeichnen.

Das Erleben starker, von der Bundesregierung mittlerweile selbst eingeräumt, unangemessener Restriktionen, machten die Menschen sensibel, ihre Selbstbestimmtheit und Autonomie selbst in die Hand zu nehmen und für ihre Freiheitsmöglichkeiten prophylaktisch zu sorgen. Ein Reisecamper gibt einem zumindest, selbst wenn Campingplätze gesperrt werden würden, das Gefühl der Unabhängigkeit, wenn wieder Beherbergsverbote ausgesprochen werden und Kontaktverbot außerhalb der Familie besteht.

Der Kontrollwahn und der Hype von Effektivität, Rationalität und Schnelligkeit vergiften das Leben; unser menschlicher Körper ist dafür nicht geschaffen. Der Preis für materiellen Reichtum ist eine stetig steigende Rate von psychosomatischen Krankheiten, Herzerkrankungen und Depressionen. Die gesunderhaltenden Aspekte wie Empathie, zwischenmenschlicher Wärme, das Teilen von guten Erlebnissen und sich wahrgenommen fühlen, die allesamt nach Bauer (Bauer ) Grundbedürfnisse des Menschen ähnlich wie essen und trinken sind, bekommen immer mehr weniger Bedeutung.

Für mich ist der Campingboom die natürliche, kreative Gegenbewegung, angespitzt durch Corona, zur gegenwärtigen gesellschaftspolitischen Gesamtsituation, geprägt von zunehmender Restriktion, Isolation und Entfremdung zur Natur.

Auf Campingplätzen ist es Ehrensache sich untereinander zu helfen. Hier wird das langsame Leben zelebriert. Hier wird mit den Nachbarn gefeiert. Hier wird eher das Du als das Sie vorausgesetzt. Auf Chats sind viele, viele Communitys unterwegs und geben sich kostenfrei Rat und Hilfe zu Technik, guten Standorten und Touren. Ähnlich wie bei den DZN wird das WIR großgeschrieben.

Die große Zahl von alternativen, umweltbewussten Menschen unter den Campern, macht es möglich neue Geschäftszweige, die wirklich Alternativen zum Herkömmlichen darstellen, zu entwickeln, wie zum Beispiel die Komposttoilette oder mobile Sonnenkollektoren mit hoher Ladung und Leistung. Internet macht es möglich am Strand von Griechenland seine Arbeit zu gestalten, Reiseblöcke zu schreiben oder Webseiten zu entwickeln.

 
 

 

Literatur

 

Bauer, J. Das Gedächtnis des Körpers. Piper 2011.

Bauer, J. Prinzip Menschlichkeit – Warum wir von Natur aus kooperieren. Heyne 2008.

Carriére J.C. Der Kreis der Lügner. Diana Verlag 1999.

Csikszentmihalyi, M. Flow – Das Geheimnis des Glücks. Klett-Cotta 2010.

Firus Ch. und Firus H.-H. Verabredung mit dem Glück. Patmos Verlag 2005.

Hellinger, B. Die Mitte fühlt sich leicht an. Kösel 1996.

Hüther, G. Was wir sind und was wir sein könnten. Fischer Tb. 2017.

Hodgkinson, T. Die Kunst, frei zu sein. Zeitausendundeins 2007.

Klemm St. Heilende Geschichten. Echter Verlag 1998.

Knorr, M. Fünf Zutaten für gelingendes Paarglück. Publish.bookmondo.de/shop 2021.

Knorr, M. Was tun, wenn wir uns streiten?. Publish.bookmundo.de/shop 2020.

Peseschkian Dr. N. Der Kaufmann und der Papagei. Fischer Taschenbücher 1982.

Shiva, Vandana (Hrsg.). Philanthro-Kapitalismus. Die Aushöhlung der Demokratie. Neue Erde 2022.

Sparrer I. Wunder, Lösung und System. Carl-Auer-Verlag 2001.

Watzlawick, P. Weakland, J. Fisch, R. Lösungen. Hans Huber Verlag 1984.

Weidner Ch.A. Die Glückskatzenphilosophie. Knaur Ratgeber Verlag 2009.


 

 

Der andere Stellplatzführer – Landvergnügen - zu beziehen über www.landverguegen.com

-        Jedes Jahr gibt es eine neue Buchausgabe, zum Preis gibt es eine Plakette zum Aufkleben an die Autoscheibe - dient zur Kontrolle der Landwirtsschafts- und Weinbaubetriebe, die angefahren werden. Die Stellplätze auf den Höfen sind i.d.R. kostenfrei; zum Ausgleich kann dort im Hofladen eingekauft werden. Manchmal gibt es eine Toiletten- und Waschgelegenheit. Am besten vorher anrufen. Für Kinder ist es tolles Erlebnis, da sie Tiere streicheln können. Für Feinschmecker ebenfalls: leckerer Ziegenkäse, regionaler Wein und andere Produkte direkt vom Erzeuger.

 

Die Dachzeltnormaden: www.dachzeltnormaden.com

-        Die Organisator*innen sind medial sehr gut vertreten. Auf WhatsApp gibt es verschiedene Apps, u.a. Kleinanzeigen für gebrauchte Campartikel und Dachzelten, sowie eine App für Reisen. Das WIR wird großgeschrieben und ebenso der korrekte Umgang miteinander. „Den Platz sauberer verlassen als vorgefunden“ ist die Leitlinie. Die DZN haben zum Probeübernachten sogenannte „Dachzeltdörfer“ gebaut und mehrmals im Jahr – auch im Winter – werden Treffen über das Wochenende mit Events organisiert, deren Erlös immer einer sozialen Einrichtung der Region zugutekommt.

Internetseiten zum Thema Camping, Unterwegssein und schöne Stellplätze

 

https://just-touring.de

Ein nettes Paar aus Essen, die mit ihrem kleinen Eriba-Wohnwagen unterwegs sind und nützliche Dinge vorstellen, sowie gerne Kochrezepte weitergeben.

 

https://www.homecamper.de

Sie mögen es lieber abseits der ausgetretenen Pfade und haben mit den klassischen Camper-Settings nichts am Hut? Dann suchen Sie einfach auf der für Android kostenlosen Gamping-App weltweit günstige private Stellplätze. Mit 5 Euro sind Sie meist dabei.

 

https://park4night.com

Das Besondere ist, das man bei park4night Plätze findet, die man in anderen Camping-Apps evtl. nicht finden wird. Oft sind es echte Geheimtipps und Plätze am Rand von Wäldern, schönen Aussichtspunkte, Parks, Buchten oder Stränden. Allerdings sollte man immer vor Ort darauf achten, inwieweit es erlaubt ist, z.B. über Nacht auf dem Platz zu stehen. Und daran denken: Sauberer verlassen als vorgefunden!

 

https://dachzeltnomaden.com/stellplaetze-fuer-dachzeltnomaden/

Eine von den Dachzeltnormaden entwickelte Karte, die von Useren ständig weiter entwickelt wird. Wer einen Tipp hat, gibt ihn weiter.

 

·       Die vielen appAnbieter mögen mir verzeihen, wenn ich nicht alle aufgeführt habe, sondern die mir bekannten mit guten Erfahrungen.

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